Selbstverschreibung von Medikamenten: Neue Ideen für mehr Empowerment bei psychischen Erkrankungen

Als Mental Health Nurse Practitioner beschäftigt mich seit Langem die Frage, wie Menschen mit psychischen Erkrankungen mehr Kontrolle und Selbstbestimmung über ihre Behandlung erhalten können. Ein entscheidender Faktor ist hierbei der Umgang mit Medikamenten, der häufig stark von Ärzt:innen und Fachpersonen dominiert wird. Doch was wäre, wenn Betroffene durch gezielte Selbstkurse befähigt würden, bestimmte Medikamente im Rahmen einer Selbstverschreibung eigenverantwortlich einzunehmen und zu regulieren?

Diese Idee mag auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheinen, birgt aber grosses Potenzial:

  • Mehr Selbstbestimmung: Patient:innen könnten ihre Bedürfnisse besser einschätzen und ihre Therapie eigenverantwortlicher gestalten.
  • Verbesserte Therapietreue: Die aktive Einbindung in die eigene Medikamentenverordnung könnte die Akzeptanz der Therapie erhöhen.
  • Stärkere Partnerschaft: Fachpersonen würden eher als Berater:innen und Begleiter:innen fungieren und nicht ausschliesslich als Entscheidungsträger:innen auftreten.

Das Thema Selbstverschreibung wird seit einigen Jahren verstärkt diskutiert und durch verschiedene Reformen unterstützt. Es wurden zum Beispiel regulatorische Anpassungen vorgenommen, die dazu beitragen, dass viele nicht verschreibungspflichtige Medikamente auch ohne ärztliche Verordnung in Apotheken und Drogerien erhältlich sind. Ziel solcher Entwicklungen ist es, Patient:innen mehr Autonomie im Umgang mit alltäglichen Gesundheitsproblemen zu ermöglichen, allerdings immer unter der Voraussetzung, dass eine fundierte Beratung und ausreichende Informationen gewährleistet bleiben. Gleichzeitig bleibt für viele Medikamente die ärztliche Verschreibung weiterhin verpflichtend: Nur anerkannte medizinische Fachpersonen dürfen Rezepte ausstellen, während andere Gesundheitsberufe lediglich Empfehlungen abgeben können.

Nicht jedes Medikament ist für eine eigenständige Verordnung geeignet, und die Teilnehmenden müssten über ausreichende Kenntnisse und Verantwortungsbewusstsein verfügen. Genau hier setzt der Selbstkurs an: fundiertes Wissen über Wirkung, Risiken und Anwendung von Medikamenten sowie Training in Selbsteinschätzung und Risikomanagement. Immerhin verschreiben sich Ärzt:innen nach fünf Jahren Medizinstudium ebenfalls Medikamente selbst. Die Frage lautet daher: Wo genau sollte die Grenze gezogen werden und weshalb?

Ich denke, dass die Selbstverschreibung von Medikamenten zu einer verbesserten Lebensqualität und Behandlungserfahrung beitragen kann. Es könnte helfen, bestehende Versorgungsengpässe zu überbrücken, die Eigenverantwortung der Betroffenen zu stärken und sogar zu einer Entlastung des Gesundheitswesens beitragen, indem es die Abhängigkeit von ständigen Arztterminen reduziert. In Zeiten, in denen es oft schwierig ist, rasch einen Termin bei einer Fachperson zu erhalten, könnten geschulte Patient:innen ihre Therapie gezielt und unmittelbar anpassen, stets unter Einhaltung klarer Sicherheitsstandards und regelmässiger Supervision durch medizinisches Fachpersonal.

Quellen: